Correcturas Simulativas

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Einführung Correcturas Simulativas

Die Serie Correcturas Simulativas, entstanden zwischen 1993 und 1996, lebt aus der beinahe unerträglichen Spannung zwischen geschundenem Leib und reichem Ornament, zwischen Nacktheit und Gewand, Verstümmelung und Perfektion. Abbildungen aus medizinischen Werken zeigen misslungene chirurgische Operationen, schlecht Genähtes. Deformierte  Münder und Ohren, verletzt, schmerzverzogen, traktiert von Schläuchen, Nadel und Faden. Entstellte Körperteile sind umrahmt von gotischem Maßwerk, von goldenen Spitzen und Blumenstickereien, als würden Kostbarkeiten präsentiert. Aufgesogen vom Dekor, bleiben sie doch sichtbar als Widerpart des Schönen und Eitlen. Die ins Fleisch gesetzte Naht, die den geöffneten Brustkorb schließt, sie verläuft vertikal wie die pretentiöse Goldnaht in direkter Nachbarschaft. Und auch die Textbänder, mit der Hand geschrieben oder der Maschine, fügen sich wie die Linie des Fadens als graphisches Element ein und als inhaltliche Antipoden. Sätze in spanischer und deutscher Sprache, wie die Abbildungen den medizinischen Handbüchern entnommen oder Aufdrucken kosmetischer Produkte, erscheinen als zynischer Kommentar. „Speziell zum Abschminken entwickelt“, heißt es da oder: „Schmutz sowohl gründlich als auch schonend zu erfrischen“. Die Bezüge muß der Betrachter herstellen: Das Ungestalte lässt sich nicht korrigieren, der Makel nicht verdecken. Wo die Öffnungen des Körpers verstümmelt sind – misshandelt vielleicht -, Mund und Ohren, stumm und taub, da sind Luxus und Verschwendung hohl. Folter, Mangel an Können, Verweigerung von Pflege und Heilung – ist das schockierend gemeint, provokant, sozialkritisch oder gar ironisierend?

Petra Giloy-Hirtz

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